Nichts ist beständiger als der Wandel

Foto: Steelcase

Die moderne Büroarbeitswelt

Als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England die industrielle Revolution ausbrach, brachte sie tiefgreifende ökonomische, ökologische und soziale Folgen mit sich. Die Erfindung des mechanischen Webstuhls und die Verbesserung der Dampftechnik brachen mit den jahrhundertealten Produktionstraditionen und läuteten somit das Industriezeitalter ein. Eine Zäsur innerhalb der Arbeitswelt, die bis heute ihresgleichen sucht. Mit Beginn dieses Jahrtausends begann jedoch ebenfalls eine Entwicklung, die in Ihrer Rasanz beeindruckende Ausmaße annimmt. Ob und inwiefern der dynamische technische Fortschritt innerhalb der postindustriellen Gesellschaft mit den eingangs beschriebenen Vorgängen vergleichbar ist, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch schon jetzt, dass die aktuelle Entwicklung starke Veränderungen in unserem Arbeitsalltag mit sich bringt. Wo vor zwei Jahrzehnten noch die Schreibmaschine klapperte, steht nun ein Minicomputer, der kaum mehr die Größe einer Brotzeitbox hat. Ächzte früher noch das Faxgerät oder klebte man Briefmarken bis die Zunge pelzig wurde, wird heutzutage die E-Mail in Sekundenschnelle verschickt und wo heute noch der Bildschirm steht, wird morgen schon die „Virtual-Reality-Brille“ aufgesetzt, um an einem Tisch im virtuellen Konferenzraum Platz zu nehmen. Künstliche Intelligenz wird uns den Großteil der administrativen Alltagsaufgaben abnehmen, während die Grenzen zwischen Technik und Raum sukzessive verschwimmen werden. Unabhängig davon wie der Einzelne zu dieser galoppierenden Entwicklung steht, akzeptieren muss ein jeder, dass die aktuellen Prozesse unsere Zukunft maßgeblich mitbestimmen werden.

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Während sich die Arbeitsinstrumente in Ihrem Innovationsgrad überschlagen, scheint die Umgebung, in der wir arbeiten die letzten Jahrzehnte im Dornröschenschlaf verbracht zu haben. Getreu dem Motto, „was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ halten viele Unternehmen an überholten Bürostrukturen fest und missachten so das immense Potential, das eine moderne Arbeitsplatzgestaltung birgt. In einer Arbeitswelt, welche Anpassungsfähigkeit zum heiligen Gral ernannt hat, müssen die Gestaltungsmöglichkeiten des Raumes ebenso flexibel sein.  Dies wird durch intelligente Raumgliederungssysteme erlangt, welche konzentriertes Arbeiten und Privatsphäre ermöglichen, aber zeitgleich auch Begegnung fördern und so Synergien  erzeugen. Co-Working-Spaces und informelle Besprechungszonen beflügeln hierbei den aktiven Austausch und steigern somit die Kreativität der Mitarbeiter, während sogenannte Raum-in-Raum-Systeme eine temporäre Abschottung ermöglichen. Der richtige Strukturmix in einer offenen Bürolandschaft, in welcher der Prozess den Raum bestimmt, steigert nicht nur das Wohlbefinden des Einzelnen, sondern erhöht auch die gesamtbetriebliche Effizienz. Dies setzt jedoch voraus, dass die Anordnung von Funktionsflächen und Abteilungen intelligent geplant wurde und somit eine gute Vernetzung gewährleistet ist, die in eine Prozessoptimierung mündet.

Neben der Ergonomie (siehe hierzu: Ein gesunder Rücken kann entzücken) und der Akustik (siehe hierzu: Akustik im Büro) müssen viele weitere Faktoren bei einer solchen Planung berücksichtigt werden. So unterstützt beispielsweise ein zirkadianes Beleuchtungssystem am Arbeitsplatz unseren Biorhythmus und sorgt für ein inneres Gleichgeweicht, während unserer Tätigkeit. Dieses wiederum steigert die Konzentration, welche die Grundvoraussetzung für kreative Schaffensprozesse ist. Letztere basieren zumeist auf einer „zündenden Idee“, welche den Meisten von uns in den vermeintlich unpässlichsten Situationen kommt. Unter der Dusche, auf der Toilette oder auf der Wohnzimmercouch mit dem Löffel im Nutellaglas ist der Ideenreichtum scheinbar am stärksten ausgeprägt. Da die Installation einer Dusche im Büro zur Kreativitätskatalyse dann doch etwas zu viel des Guten wäre und wir beim Besuch der sanitären Einrichtungen vermutlich keinen Notizblock mit uns führen (wollen), bliebe potentiell nur noch die Sofaoption.

Ein Sofa im Büro?! Das ist doch Wahnsinn! Tatsächlich mag die Idee erst einmal verrückt klingen. De facto vermag es ein informeller Loungebreich mit organischen Formen im Büroumfeld jedoch eher die Kreativität zu stimulierten, als ein altgedienter Bürostuhl im unklug strukturierten Großraumbüro, welches vor visuellen Störfaktoren strotzt. Letztlich bleibt der Mensch selbst zwar der entscheidende Faktor im Hinblick auf Kreativität, Arbeitsethos und Effizienz, ein passendes Umfeld als Nährboden hierfür ist jedoch unabdingbar. Sollte die Gestaltung des Arbeitsplatzes dem nicht gerecht werden, ist es wohl an der Zeit eine Anpassung vorzunehmen.

Anpassende Veränderungen sind so alt wie die Menschheit selbst. Mal waren sie vorübergehend, mal langfristig, mal bedenklich und mal verwunderlich. Manchmal waren sie aber auch innovativ, zukunftsträchtig und als Antwort auf tiefgreifende Einschnitte gar notwendig. Gerade im Hinblick auf die letztgenannte Art des Strukturwandels gilt die chinesische Volksweisheit: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Nun muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er Maurer bleiben oder Müller werden will…

Der Beitrag wurde verfasst von Sven Dörr, Büro & Design Greb

Quellen:
https://www.sedus.com/de/informationen/insights/trendmonitor-fuer-wert-und-wohlbefinden-bei-der-arbeit-sedus-insights-no-2/
https://www.sedus.com/de/informationen/insights/trendmonitor-fuer-wert-und-wohlbefinden-bei-der-arbeit-sedus-insights-no-3/
https://www.steelcase.com/eu-de/forschung/artikel/agile-ordnen-ihre-raume-gemeinsam-lernen/
https://www.steelcase.com/eu-de/forschung/artikel/themen/kultur/zeitsprung/