In Würzburg entwickelt: Neues Verfahren zur energetischen Gebäudemessung setzt Maßstäbe.
Die Würzburger Umwelt- und Qualitätsmanagement Consulting GmbH (WUQM) berät Unternehmen und Kommunen auf dem Weg zu mehr Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Dabei steht den Beratern ein weltweit einzigartiges Verfahren zur Gebäudediagnostik zur Verfügung.
Spätestens seit Februar 2022, als Russland die Stabilität der internationalen Energieversorgung zerstörte, wurde die Energieeffizienz zum vorrangigen Ziel in der Industrie und vielen weiteren Branchen befördert. Die Identifizierung von Energieverlusten ist dabei der erste Schritt, um wirksame Sanierungs- und Einsparmaßnahmen einzuleiten.
Hierfür wurde ein neues Thermografiepanorama-Verfahren mit dem Namen „DT360“ (Digital Thermography 360°) entwickelt, das Ergebnisse in einer Qualität liefert, wie sie weltweit einmalig sind. Es entstand in einem sechsjährigen, überaus aufwändigen Forschungsprozess, der mit 1,2 Mio. Euro von den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wurde. Entwickelt wurde es unter der Leitung von Dr. rer. nat. Sebastian Fiedler an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS), der hierfür zusammen mit seinem Team neue Grundlagen schuf. Damit will der Diplom-Ingenieur und promovierte Physiker einen Beitrag zur Erhöhung der Energieeffizienz und zum Klimaschutz leisten. Beteiligt waren fünfzehn Kooperationspartner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Industrie.
Die Hardware des Verfahrens besteht aus zwei neu entwickelten Panoramaköpfen mit extrem aufwändig abgestimmter Sensorik. Der Thermografie-Panoramakopf „piXplorer iR25“ liefert Datensätze in vollständiger Radiometrie in einer extrem hohen Auflösung von 25 Megapixeln (25 Millionen Pixel), die mit 100-Megapixel-Fotoaufnahmen eines zweiten Panoramakopfes kombiniert werden. Beide Datensätze werden anschließend geometrisch kalibriert und in einem Kugelpanorama überlagert. Dies erlaubt erstmals die Einordnung der Energieverluste in ein sogenanntes „übergeordnetes Koordinatensystem“, wodurch deren Größe und Position zueinander in Relation sind. Zusätzlich können über virtuelle stereofotogrammetrische Messverfahren die Objektmaße direkt aus den Panoramen extrahiert werden. Mit der Temperaturdifferenz zur Umgebung und der Objektgröße ist die Kalkulation des Energieverlustes möglich.
Eine weitere Innovation stellt die Software dar: Sämtliche Daten sowie die zur Analyse und Live-Kommunikation benötigten Apps werden in einem Online-Tool zusammengeführt und auf einer cloudbasierten Plattform zur Verfügung gestellt. Zur Nutzung ist lediglich ein Webbrowser mit Internetverbindung nötig. Der Betrachter kann so z. B. mit einem Smartphone direkt vor dem Objekt die Ergebnisse verwenden. Eine Software-Weiterentwicklung erstellt eine bildhafte,interaktive und virtuelle Arbeitsoberfläche, in der man navigieren und kommunizieren kann.
DT360 ist schnell, vollständig digital, leicht anzuwenden und umzusetzen
Da das Verfahren nun zur vielfachen Anwendung bereitsteht, gilt es im nächsten Schritt, es bei potenziellen Anwendern bekannter zu machen. Nach den ersten Feldversuchen waren selbst Fachleute verblüfft, um wie viele Längen DT360 anderen herkömmlichen Thermografieverfahren voraus ist. „Es sind Welten“, sagt Dr. Fiedler. „Als wir die ersten Ergebnisse einreichten, war die Community skeptisch, dass das Verfahren wirklich so gut funktioniert. Also zogen wir los und haben im Beisein eines Expertengremiums einen Feldversuch durchgeführt. Der Anlagenbetreiber war daraufhin derart überzeugt, dass er selbst eine Stellungnahme in einer Fachzeitschrift veröffentlichte. Mittlerweile haben wir mehrere Peer-Review-Publikationen, also von Experten geprüfte Berichte, die öffentlich zugänglich sind und die Ergebnisse dokumentieren.“ Gefunden werden können diese unter dem Stichwort „ThermoHead“.
„Das Verfahren bietet genau das, was wir für die Energiewende und den Klimaschutz brauchen; es erstellt einen energetischen Ist-Zustand, ist schnell, vollständig digital, leicht anzuwenden und umzusetzen und ermöglicht sogar eine Nutzung in Online-Meetings. Zur Maßnahmenplanung müssen sich die Beteiligten nicht einmal mehr am Objekt treffen, da die virtuelle Umgebung in 360° dem Nutzer das Gefühl gibt, direkt davor zu stehen. Wir können sämtliche Energieverluste in einer virtuellen Umgebung abbilden und so z. B. eine bedarfsgerechte energetische Sanierung von Gebäuden umsetzen. Dadurch können extrem viel Zeit, Material und Handwerkerkosten eingespart werden. Das hat bislang in Deutschland noch gefehlt.“
Während andere Thermografieverfahren Schwierigkeiten haben, versteckte Energielecks überhaupt zu identifizieren, deckt DT360 diese präzise auf und quantifiziert zudem die Verluste. Bei der Diagnose einer großen Energiezentrale konnten über 100 verschiedene Wärmeleckagen an ungedämmten Rohrleitungen, Bögen und Flanschen festgestellt werden, erzählt Dr. Fiedler und weiter: „Noch schlimmer war die Gebäudehülle. Dort waren Fenster eingebaut, deren Rahmen aus Aluminium thermisch nicht entkoppelt waren. Der Auftraggeber verlor etwa 15 % seiner Heizleistung direkt bei der Erzeugung in der Energiezentrale und weitere 15 % durch die Fensterrahmen. Innerhalb eines halben Tages haben wir Gaseinsparpotenziale von 30 % aufdecken können, das ging bei der Größe des Objekts in den Millionen-Kilowattstunden-Bereich. Dieses Ergebnis verblüffte sogar den Energiemanager des Unternehmens.“
DT360 ist weltweit einzigartig. Aktuell wird zusammen mit den Stadtwerken Würzburg am Rollout der innovativen Methodik gearbeitet. Da das Verfahren einen essenziellen Beitrag zur Energieeinsparung und zum Umweltschutz leisten kann, die WUQM aber natürlich nicht in der Lage ist, den Bedarf alleine abzudecken, wurden sämtliche Forschungsergebnisse auf der Homepage öffentlich zugänglich gemacht. Die Position als Vorreiter nehmen die Würzburger gerne ein. Für das große Bestreben, den Umwelt- und Klimaschutz schnell voranzubringen, hoffen sie allerdings nachhaltig auf Verstärkung. Es ist dringend!