Von der Pflegestufe zum Pflegegrad

Winfried Fischer, der Leiter der Pflegebegutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Bayern, klärte über das Thema Pflegereform auf. Foto: Tina Lenhart/Landratsamt Haßberge

Die neue Pflegereform bringt umfassende Änderungen mit sich / Neue Einstufung verzichtet auf Pflegeminuten.

Der Vortragsabend zum Pflegestärkungsgesetz, zu dem der Pflegestützpunkt Haßberge eingeladen hatte, stieß auf großes Interesse: Über 180 Zuhörer informierten sich am Mittwochabend in der Stadthalle Haßfurt über die umfassenden Änderungen, die die große Pflegereform mit sich bringt.

Landrat Wilhelm Schneider begrüßte die Gäste und erläuterte, dass die gesetzliche Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 als letzte der fünf Säulen der Sozialversicherungen eingeführt wurde. Das Thema Pflege habe im Landkreis Haßberge auch im Rahmen des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts eine große Rolle gespielt. In diesem Zuge wurde 2011 der Pflegestützpunkt Haßberge eingeführt, der Bürgerinnen und Bürger kostenfrei berät. Außerdem wies der Landrat auf die Neuauflage des Seniorenratgebers für den Landkreis Haßberge hin, der in den nächsten Tagen in allen Kommunen ausgelegt wird.

Als Referent stellte Winfried Fischer, der Leiter der Pflegebegutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Bayern, das komplexe Thema für Fachkräfte und Bürger gleichermaßen verständlich vor. Im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Bayern sind rund 430 Pflegefachkräfte unterwegs, die jährlich zirka 270.000 Pflegegutachten erstellen. Er lobte in diesem Zusammenhang die Initiative des Landkreises Haßberge als einem der wenigen Landkreise in Bayern, die einen Pflegestützpunkt haben.
Generell sei es ohnehin so, dass die Pflegereform in der nächsten Zeit zu einem erhöhten Beratungsbedarf bei der Bevölkerung führe, den der Pflegestützpunkt gut abfedern könne. Darüber hinaus erhalte die Pflegeberatung durch die Gesetzesänderung zusätzlich mehr Bedeutung. Der Referent betonte, dass die Pflegereform ein „deutsches“ Gesetz und damit eher kompliziert angelegt sei, wohingegen beispielsweise Österreich einen einfacheren Weg gehe.

Mit dem sogenannten Pflegestärkungsgesetz II werde es einen grundlegenden Systemwechsel ab 2017 geben. Statt nach „Hilfebedarfen in Minuten“ werde künftig gefragt: Was kann der pflegebedürftige Mensch selbst bewerkstelligen und wobei braucht er professionelle Hilfe und Unterstützung im Alltag? Kernstück des Pflegestärkungsgesetzes ist die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, der von den ehemals drei Pflegestufen dann in fünf  Pflegegrade verändert wird.

Die Änderungen werden – dies zeigen umfangreiche Studien im Vorfeld – zu einer differenzierten Beurteilung und insgesamt zu mehr Gerechtigkeit bei der Begutachtung führen. Weiterhin gelte jedoch, dass eine Person erst dann als pflegebedürftig gilt, wenn dies über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zutrifft, betonte Fischer. Die Begutachtung werde in einzelne Module unterteilt. Diese betreffen Mobilität, Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte, kognitiver Status und Alltagsprobleme, Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen, Selbstversorgung, Alltagsverrichtungen sowie Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen.

Durch unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Module werde künftig bei der Begutachtung ein Punktewert berechnet, der den Pflegebedarfsgrad anzeigt. Personen, die bereits Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, sprich eine „Pflegestufe“ haben, werden nicht neu begutachtet, sondern über ein festgelegtes Schema in das neue System überführt. „Mit der Überführung erfolgt keine Schlechterstellung der Pflegebedürftigkeit“, betonte Winfried Fischer. Als Beispiel führte er an, dass Pflegebedürftige, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, zukünftig einen einheitlichen Eigenanteil zahlen müssen. In der Vergangenheit erhöhte sich der Eigenanteil nach der jeweiligen Pflegestufe. Mögliche Differenzbeträge, die sich nun für Personen ergeben, die bereits eingestuft sind, würden von den Pflegekassen übernommen. In der Summe führe die Pflegereform zu einer finanziellen Verbesserung für die Pflegebedürftigen. Diese Aspekte wurden in der anschließenden Fragerunde kontrovers diskutiert.

Für weitere Fragen und eine individuelle Beratung verwies der Referent zum Schluss an den Pflegestützpunkt Haßberge und die Pflegekassen der Versicherten. Der Pflegestützpunkt Haßberge ist erreichbar unter Telefon 09521/27-495 oder -395.